Die Frauen im Parlament
Vor gut zwei Jahren habe ich mich entschlossen, den Wegen der ersten Frauen im eidgenössischen Parlament nachzugehen. Zuvor hatte ich die Geschichte des Luzerner Grossen Rates erforscht und meinte zu wissen, worauf ich mich einliess… Nicht so sehr die Unwegbarkeiten für Forschende in der Coronakrise, als vielmehr meine emotionale Betroffenheit durch die eigene politische Biografie, haben mich überrascht.
Als Wissenschaftlerin war ich in meinem Vorhaben zu grösstmöglicher Distanz und Neutralität verpflichtet. Meine persönliche Erfahrung in den verschiedensten Rollen des politischen Betriebes von 1990–2011* riefen in mir gleichzeitig starke Empathie für das zu untersuchende Kollektiv hervor, was mich zu kritischer Innenschau bzw. Selbstreflexion führte.
Mein Buch stellt zunächst die eigentlichen Pionierinnen der 39. und 40. Legislatur in den Vordergrund und untersucht danach das ganze Kollektiv der 257 Nationalrätinnen und 42 Ständerätinnen der 13 Legislaturen von 1971 bis 2019.
Eingehend widmete ich mich den Politlaufbahnen der Parlamentarierinnen, deren Bildung, Wirken in den Parteien, dem Kampf um Akzeptanz und Einfluss. Ich suchte nach allgemeinen Mustern und individuell interessanten Wegen. Auch untersuchte ich wichtige Aspekte wie das Verhältnis der Frauen zur eigenen Partei und weibliche Netzwerke.
Im Rückblick zeigt sich die Schweiz von 1971, als ein fernes, „fremdes“ Land, in dem die ersten 11 Bundesparlamentarierinnen einen eher lauen Empfang bekamen und lange eine kleine Minderheit blieben. Auf sie wartete unglaublich viel Arbeit in grundlegenden Dossiers, insbesondere solchen, welche das Männerparlament vor sich hingeschoben hatte. Es galt aufzuräumen mit alten Zöpfen und dem modernen Leben, das ausserhalb der Mauern des Bundeshauses längst begonnen hatte, Rechnung zu tragen. Die Erfordernisse der sich stark verändernden Gesellschaft mussten in neue rechtliche Formen gegossen werden. Die Gleichstellung der Frauen war längst überfällig. Dies Männern und Frauen zu erklären und selbst, oft gegen die eigene Prägung durch eine traditionelle Erziehung, zu leben, war ein weiterer Schritt für die Pionierinnen. Die letzten 50 Jahre wurden frauenpolitisch zu einer langen Challenge, um dies neudeutsch auszudrücken. Die National- und Ständerätinnen haben diese stets mutig gepackt. Der Kreis ihrer Verbündeten war dabei unverzichtbar. Er ist mit Niederlagen wie Erfolgen gewachsen und hat heute – wie die jüngsten Frauenstreiks und der gesellschaftliche Diskurs zeigen -weite Teile der Gesellschaft erreicht. Damit ist jedoch eine wirkungsvolle Umsetzung der Gleichstellung noch keineswegs garantiert. Es bleibt spannend.
Die Autorin:
Luzerner Historikerin, ehemalige SP-Grossbürgerrätin, Kantonsrätin, Parteisekretärin und politische Beraterin sowie seit 2011 Inhaberin von Büro für Politik, Text & Coaching, www.margrit-steinhauser.ch.