Gemeinsam für eine gewaltfreie und gleichgestellte Gesellschaft

Am 25.11. starten die «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» seit 14 Jahren setzt sich die Präventionskampagne in der Schweiz für eine gewaltfreie Gesellschaft ein und fördert den Diskurs über Gewalt – ein wichtiger Bestandteil von Gewaltprävention.

Gewalt an Frauen kennt viele Formen. Sie wird in allen gesellschaftlichen Schichten ausgeübt, an unterschiedlichen Orten sowie in verschiedenen Konstellationen: zuhause, in Paarbeziehungen, in der Familie, in der Schule oder Ausbildung, am Arbeitsort, im öffentlichen Raum, in Institutionen oder online. Gewalt an Frauen hat massive Ausmasse. Es braucht ganzheitliche Ansätze, um diese Gewalt zu verhindern. Genügend finanzielle Mittel und Ressourcen für qualitativ hochstehende Angebote in Prävention, Beratung, Schutz und Täterarbeit sind elementar. Die Schweiz braucht mehr Schutzplätze für Frauen und Mädchen, die Gewalt erfahren. Betroffene müssen kompetent und einfühlsam begleitet und beraten werden. Die Schweiz verfügt grundsätzlich bereits über ein wichtiges völkerrechtliches Instrument zur Verhinderung von Gewalt: Die Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung und Verhütung von Gewalt an Frauen und Häuslicher Gewalt, ist seit 2018 in Kraft und muss nun endlich konsequent umgesetzt werden.

Wir müssen aber noch breiter denken, denn geschlechtsspezifische Gewalt ist eng mit ungenügender Gleichstellung verknüpft. Deshalb ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich gegen Gewalt einzusetzen. Gerade in der Schweiz, wo Frauen erst seit 50 Jahren politische Mitsprache haben, gibt es auch 2021 noch viel zu tun. Frauen werden noch immer durch stereotype Vorstellungen abgewertet. Sexismus und Objektifizierung von Frauenkörpern sind Alltag. Dies ist der Nährboden für Gewalt an Frauen. Daran müssen wir arbeiten.

Stopp sexualisierte Gewalt

Die Präventionskampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» wird von der feministischen Friedensorganisation cfd koordiniert. Zwischen dem 25. November und 10. Dezember organisieren über 150 Organisationen mehr als 120 Veranstaltungen. Während der 16 Aktionstage wird Gewalt an Frauen in Podiumsdiskussionen, Theatern, Selbstverteidigungskursen, Workshops oder Strassenaktionen breit thematisiert.

Die Aktionstage haben jedes Jahr einen anderen Fokus. 2021 steht sexualisierte Gewalt im Zentrum. In der Schweiz hat mindestens jede zweite Frau sexualisierte Gewalt erlebt[1]. Nur 8% der Frauen, die Übergriffe erlebt haben, zeigen diese an[2]. Die Strafverfahren enden in 75% der Fälle mit einem Freispruch[3]. Hier zeigt sich exemplarisch, dass es ein Zusammenspiel von verschiedenen Aspekten zur Verhinderung von Gewalt braucht. So muss unser Sexualstrafrecht konsensbasiert überarbeitet werden nach der Maxime: Nur Ja heisst Ja. Sexuelle Handlungen bei fehlender Zustimmung müssen als Gewalt anerkannt und entsprechend geahndet werden. Die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist bereits Gewalt. Mit der Anpassung des Sexualstrafrechts allein ist es jedoch nicht getan. Polizist*innen müssen im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt geschult werden, damit sie Befragungen opfersensibel durchführen können. Betroffene müssen Opferberatungsstellen kennen, damit sie schnelle und adäquate Unterstützung erhalten können. Es geht aber noch weiter. Es braucht nationale, breit angelegte Präventionskampagnen. Und wir müssen über Konsens und Gewalt sprechen – in der Familie, im Freundeskreis, in den Schulen. Nur so können wir sexualisierte Gewalt verhindern. Die Verantwortung liegt bei uns allen. Setzen wir uns gemeinsam ein für eine gewaltfreie und gleichgestellte Gesellschaft.

Zur Autorin

Anna-Béatrice Schmaltz arbeitet bei der feministischen Friedensorganisation cfd als Projektleiterin Gewaltprävention und koordiniert die «16 Tage gegen Gewalt an Frauen». Sie hat einen Masterabschluss in Sozialer Arbeit und ist feministische Aktivistin.

Mehr Infos zu den 16 Aktionstagen: 16tage.ch

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[1] Studie «sexuelle Gewalt», 2019. Gfs.bern. https://www.amnesty.ch/fr/themes/droits-des-femmes/violence-sexuelle/docs/2019/violences-sexuelles-en-suisse/sexuelle_gewalt_amnesty_international_gfs-bericht.pdf  

[2] https://cockpit.gfsbern.ch/de/cockpit/sexuelle-gewalt-in-der-schweiz/

[3] https://www.tagesanzeiger.ch/beschuldigten-vergewaltigern-drohen-in-zuerich-kaum-konsequenzen-539945354487