Ob also die Gesellschaft eine andere geworden ist
Im Frauenkulturarchiv Graubünden haben wir immer mal wieder Studierende oder Maturanden und Maturandinnen, die Material für ihre Abschlussarbeiten suchen. Die Betreuung dieser jungen Leute macht besonders Spass, weil sie frischen Wind in gängige Fragestellungen bringen. Das ist sehr erfreulich. Im Zentrum steht nun das Frauenstimmrecht mit seinen Auswirkungen auf die heutige Politik und Gesellschaft. So interessiert etwa, wie Frauen die Bündner Politik und die Abstimmungen beeinflussen und wie sich das Stimmrecht auf die kantonalen Vorlagen auswirkt. Ob also die Gesellschaft eine andere geworden ist durch das Stimm- und Wahlrecht der Frauen.
Damit eröffnen sich nicht nur für die Studierenden neue Erkenntnisse, sondern auch für unser Archiv. Denn solche Fragen spornen uns an Kontakte, z. B. zu Politikerinnen, herzustellen oder neue Wege für die Recherchen zu finden. Denn das Material zur Frauen- und Geschlechtergeschichte ist – wie wir alle wissen – äussert knapp bemessen, da, wo illustre Personen fehlten, die ihren Nachlass in ein Archiv gaben oder ganz besonders auch da, wo die ältere Generation von meist Archivaren solche Unterlagen nicht für archivwürdig befand oder sich aus anderen Gründen nicht darum bemühte.
Das Frauenkulturarchiv Graubünden ist 1997 als Stiftung gegründet worden. Gerade in einer Zeit, als die Pionierinnen des Frauenstimmrechts noch rüstig waren und ihrer Dynamik folgend, Material und Dokumentation wie Mediensammlungen und einschlägige Bücherreihen ins Archiv gaben. In Graubünden sei an Isa Hämmerle-Planta (1922-2012) erinnert, die als Präsidentin der Frauenzentrale Graubünden einen beharrlichen Kampf für das Frauenstimmrecht führte oder die 2008 verstorbene Elisabeth Lardelli-von Waldkirch, ursprünglich eine Bernerin, die als Juristin und erste Bündnerin mit Anwaltspatent in Graubünden sehr engagiert war und als Politikerin und wiederum erste Bündner Nationalrätin für die Gleichstellung Zeichen setzte. Leider ist es gerade im letzteren Fall nicht gelungen, einen Nachlass zu erhalten, was bedauerlich ist.
Die Maturandin, die im Frauenkulturarchiv Graubünden recherchiert hat, erstellt eine Webseite zum Frauenstimmrechtsjubiläum. Darin wird sie ihre Forschungsergebnisse als Multimedia Reportage veröffentlichen. Darauf dürfen wir gespannt sein!
Dr. phil. Silke Margherita Redolfi, Leiterin Frauenkulturarchiv Graubünden, www.frauenkulturarchiv.ch
Silke Margherita Redolfi ist freischaffende Historikerin und Archivarin sowie Leiterin des Frauenkulturarchivs Graubünden, das sie 1997 mitbegründet hat. Sie hat 2019 ihre Dissertation „Die verlorenen Töchter“ zum Verlust des Schweizer Bürgerrechts bei der Heirat eines Ausländers veröffentlicht. Silke Margherita Redolfi wohnt in Masein (GR).