Meta von Salis-Marschlins (1855 – 1929)

Meta von Salis-Marschlins entstammt einer Bündner Adelsfamilie. Schon früh ist ihr das auferlegte gesellschaftliche Korsett zu eng; sie lehnt die «spezifisch weibliche Arbeitsdomäne» ab. Gegen Widerstände erlernt sie einen Beruf und promoviert als erste Historikerin der Schweiz. Darüber hinaus fordert sie als erste Frau in der Deutschschweiz öffentlich das Stimm- und Wahlrecht für Frauen. 

Quelle: EKF, Eidgenössische Kommission für Frauenfragen

Meta von Salis-Marschlins wächst auf dem Familienschloss Marschlins auf und erkennt bereits als junge Frau die Stellung des weiblichen Geschlechts in der aristokratischen Gesellschaft: «Mein erster Fehltritt in der Welt bestand in dem Erscheinen in weiblicher Gestalt.» Sie absolviert ihre Schulzeit in Töchterinstituten, die sie auf das Führen eines Haushalts vorbereiten. Diese «Hausfrauen-Züchtungs-anstalten» – wie sie die Institute nennt – machen sie unzufrieden. «[N]icht nur mein Vater, fast alle Männer, mit denen ich bis zu meinem 24. Jahre in Berührung kam, dachten der Frau eine Stellung zu, die ich ihrer, beziehungsweise jedenfalls meiner, unwürdig fand. […] So bin ich denn eigentlich in der Opposition gegen den Mann gross geworden.» Der strenge Vater verbietet der lesebegeisterten Tochter das Studium und weist seine Ehefrau an, ihr nur wenig Geld für Bücher zu geben. Trotzdem bildet sich Meta von Salis-Marschlins im Selbststudium weiter und wird Erzieherin, eine der wenigen Berufsmöglichkeiten für Frauen aus der Oberschicht. Diese Tätigkeit führt sie zu wohlhabenden Familien in Deutschland, England sowie Irland und ermöglicht ihr ökonomische Unabhängigkeit – eine nicht zu unterschätzende Freiheit. 

Nun kann Meta von Salis-Marschlins doch noch das ersehnte Studium in Angriff nehmen. Sie studiert ab 1883 Geschichte, Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Zürich. 1887 promoviert sie als erste Historikerin der Schweiz im gleichen Jahr, in dem Emilie Kempin-Spyri als erste Schweizerin den Doktortitel in Rechts-wissenschaften erhält. Frauen stellen an der Universität Zürich allerdings noch eine marginale Minderheit dar. So schreibt Meta von Salis-Marschlins 1884 in einem Artikel für die Thurgauer Zeitung: «Wir stehen Allem zum Trotz noch immer am Anfang der Bewegung.» Sie ermutigt die Studentinnen und ruft ins Bewusstsein, «dass wir Pioniere sind und wie die ersten Ansiedler im Urwald jeden Fussbreit Boden erkämpfen müssen.» 

Studienabgängerinnen haben zu dieser Zeit nur sehr geringe Berufschancen. Meta von Salis-Marschlins arbeitet als freie Journalistin, Schriftstellerin und Vortrags-rednerin. Am 1. Januar 1887 veröffentlicht die Zürcher Post ihren Artikel Ketzerische Neujahrsgedanken einer Frau. Darin fordert sie erstmalig für die deutschsprachige Schweiz die volle Gleichberechtigung der Schweizerinnen, unter anderem auch «Stimmrecht und Wahlfähigkeit» für Frauen. Die eloquente Rednerin tritt auch öffentlich auf. Im Rahmen ihrer Vortragsreihe Frauenstimmrecht und die Wahl der Frau bereist sie 1894 mehrere Schweizer Städte. Sie kämpft insbesondere auch für die Gleichberechtigung unverheirateter Frauen. Einige Aufmerksamkeit erregt die Bündnerin 1892–94, als sie sich publizistisch für ihre Freundin, die Zürcher Ärztin und Frauenrechtlerin Caroline Farner, sowie deren Lebensgefährtin Anna Pfrunder einsetzt. Diese wurden nach einer Hetzkampagne wegen angeblicher Veruntreuung verhaftet und angeklagt, dann aber freigesprochen. Meta von Salis-Marschlins prangert den in ihren Augen befangenen Richter an, woraufhin sie wegen Ehrverletzung angeklagt und zu einer hohen Geldstrafe sowie 7 Tagen Gefängnis verurteilt wird. 

Diese Erfahrung führt dazu, dass sie sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht. 1897 veröffentlicht sie ein Buch (Philosoph und Edelmensch) über ihre Freundschaft mit dem Philosophen Friedrich Nietzsche. Zur Frauenfrage aber äussert sie sich nicht mehr. Denn für Meta von Salis-Marschlins haben Frauen zwei Möglichkeiten, «[e]ntweder das Vaterland nötigen, ihre Rechte anzuerkennen, ihre Ehre und Menschenrechte zu schützen, oder auszuwandern!» Und tatsächlich wandert die Bündnerin einige Jahre später mit ihrer Freundin Hedwig Kym nach Capri aus. Als diese 1910 den Anwalt Ernst Feigenwinter heiratet, zieht auch Meta von Salis-Marschlins nach Basel und wohnt gemeinsam mit dem Ehepaar. In den folgenden Jahren lebt sie zurückgezogen in Basel und beschäftigt sich vermehrt mit den Rassentheorien von Joseph Arthur de Gobineau und anderen konservativen Denkern. Denn trotz ihres Einsatzes für die Emanzipation der Frauen vertritt Meta von Salis-Marschlins in anderen gesellschaftlichen Fragen eine überzeugt konservative, aristokratische und antidemokratische Haltung. Im Zuge des Ersten Weltkriegs spitzt sich ihr antisemitisches und deutschnationales Denken weiter zu. Wohin diese Ideen einige Jahre später führen, erlebt sie nicht mehr, sie stirbt 1929. (Quelle: EKF)

„Solange der Mann die Gleichberechtigung der Frau im Staate nicht anerkennt, ihre Mündigkeit nicht eine Tatsache ist, bleibt sie allen Zufällen des Schicksals preisgegeben.“

Meta von Salis-Marschlins, Vortragsrede 1894